Meinung

Und täglich grüßt der deutsche Experte

Wenn man in die Google-Suchleiste „Deutsche Experten“ eingibt, werden 250 Mio. Ergebnisse in 0,49 Sekunden gefunden und ausgespuckt. Da wären an erster Stelle Energie-Effizienz-Experten, gefolgt von der Energie-Effizienz-Expertenliste. Der Deutschen Lieblingsthema eben. Natürlich auch in anderen Staaten eine der angesagten Zukunftsthemen in der politischen Agenda. Aber in Deutschland spaltet es Freunde und Familie, ist es eine Offenbarung der inneren Lebenswelt, der Weitsicht, des Charakters, ja der Demokratie- und Handlungsfähigkeit. Ein emotionales Minenfeld, das nicht von Meinung, sondern von festem Glauben und Bestimmungen aus dem „Ungefähr“ lebt. Jetzt wo das Klima seine apokalyptischen Signale aussendet und der „Point of no return“ laut „Experten“ noch nicht überschritten ist, möchte man alle verfügbaren Ressourcen dafür einsetzen, um die vermeintlich herannahende Klimakatastrophe abzuwenden. Irgendein Experte hat gesagt, dass wir die Erde verlieren werden.

Ich habe schon viele Experten reden hören. Corona-Experten scheinen sich aus taktischen Gründen aus dem Algorithmus entfernt zu haben. Der Niedergang des medialen Corona-Lärms kam plötzlich und ohne Vorwarnung. Da war es plötzlich vorbei. Aus. Ende. Ich denke, nicht mal ein Herr Drosten würde sich nach dieser allzu deutschen Corona-Blamage als Experten bezeichnen. Aber zurück zu meiner Google-Suche. Es folgen die Expertenvermittlung der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, die Deutschen Immobilien-Experten, die Experten der Deutschen Rentenversicherung, die Saatgutexperten. Und tatsächlich. Weit unten gibt es noch einen Eintrag des Corona-Expertenrats der Bundesregierung. Ganz dunkel erinnere ich mich an die Islamexperten, die sich zur Zeit der Debatte um die Parallelgesellschaft um Kopf und Kragen „expertet“ haben.

Es ist überaus einfach, die gesellschaftlich empfindlichsten Themen zu erkennen. Man achte auf die geradezu aufdringlichen Facktenchecker-Blogs, die sich in die Ergebnisse einreihen. Nichts ist wahrhaftiger, geradliniger, aufrichtiger und herzerwärmender als die Zuflucht in Faktenchecker-Blogs. Sie erheben sich geradezu anmutig über jene Schlammschlachten, in der keine Überzeugung vor einer Pattsituation gefeit ist. Gerade in diesen aufbrausenden Zeiten. Irgendwann tauchen sie auf. Irgendwo zwischen Reizüberflutung und hyperinformativem Beschuss von Bild und Welt. Und sie sagen uns beruhigend, dass wir uns in niederträchtiger Weise belügen und irreführen haben lassen. Der vielfältigen Informationsbeschaffung zum Trotz. Kühn und trocken steigt im Leser die Einsicht, dass er nicht fähig ist, Hypothesen zu bilden, Argumente sachlich abzuwägen und durch seinen Verstand das Richtige vom Falschen zu unterscheiden.

Die ohnehin kollektivpolitisch aberzogene Gefahren- und Risikokompetenz findet hier seine endgültige Abschaffung. Und wie es so zur deutschen Debattentradition gehört, melden sich auch zahlreiche Klimaexperten zu Wort. Hand in Hand mit den Faktencheckern kommen sie. Als intellektuelle Stiernackentruppe haben Experten und Faktenchecker bereits in der Corona- Pandemie geschliffene rhetorische Kunstfertigkeit bewiesen. Die waffenlose Meinungsdiktatur. Top-Down und mit geschickter Vernetzung interinstitutionell bewerkstelligt. Die Impfung hat irgendwann nicht mehr vor einer Infektion geschützt. Und überhaupt stellte sich heraus, dass die Impfung nur bedingt zugelassen war. Die wachsende Skepsis war also berechtigt. Trotzdem wurden Maßnahmen beschlossen und Antagonisten mit gezielter Denunziation und Diskreditierung niedergeprügelt. Die Faktenchecker bemühten sich stets um intellektuelle und gesellschaftspolitische Legitimation für die diplomatische und gehobene Barbarei. Ellenlange Texte mit Belehrungs- und Aufklärungsanspruch wollten immer nur sagen: Wir haben Recht, du bist dumm. Neben den deutschen Experten waren Menschen der angesprochene Zielgruppe natürlich keine Personen mit anderer Meinung, sondern Schwurbler, Rechtsradikale und Querdenker. Faktenchecker und Experten verbindet eine Eigenart: Sie tauchen immer dann auf, wenn das Kräfteverhältnis innerhalb der Gesellschaft deutlich ist. Oder aber, wenn eine öffentliche Debatte völlig aus den Fugen geraten ist. Nur dann entfaltet sich der Effekt der pseudofachlichen Autorität. Jesusgleich hebt der Experte seine Hand, um eindringliche Worte zu sprechen. Der deutsche Experte ist und bleibt – sorry, ein Arschloch. Selbst wenn er am Ende nicht Recht behält. Die nächste Krise wartet bestimmt. Bis dahin sind seine Worte vergessen.

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