
Halil Celiksoy
Heilerziehungspfleger/ Journalist
Dieses Jahr habe ich meine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger an der Akademie Franziskuswerk abgeschlossen. Es war eine Ausbildung, die mein Bild über den Ausbildungsstandort Bayern und seine Qualität von Grund auf verändert hat. Der Fachkräftemangel und die zuweilen politische Haltung der Dozentinnen und Dozenten, gefährden die Sorgfalt der Ausbildung. Es herrscht eine fast zwanghafte und rücksichtslose Haltung, die bunte Vielfalt unter den Absolventinnen und Absolventen sicherzustellen, die die sprachlichen und damit auch fachlichen Anforderungen ausblendet. Dies führt zu ungerechten Leistungsbewertungen gegenüber Schülerinnen und Schülern, die sich bemüht zeigen und sehr gute Sprachkenntnisse vorweisen können. Ich sprach diese gravierenden Umstände an und kritisierte die Arbeit der Dozentinnen und Dozenten scharf und wurde dann diskriminiert.
Diskriminierung ist höchst anpassungsfähig
So sehr man sich in unserer heutigen Gesellschaft mit politischer Diskriminierung und seinen unterschiedlichsten Formen und Auswirkungen beschäftigt, weiß man doch erschreckend wenig darüber, wie oft und in welcher Gestalt sie auftreten. Diskriminierung tritt längst nicht mehr als primitive und einfach zu erkennende und ideologisch motivierte Handlung auf, die sich lexikalisch und wissenschaftlich klassifizieren oder durch eine allgemeingültige Beschreibung von kategorischer Ablehnung und Vorurteile gegenüber anderen Menschen beschreiben lässt. Sucht man im Netz nach Diskriminierung an Schulen durch Lehrerinnen und Lehrer, stößt man auf Beiträge, die über rassistisch motivierte Ausgrenzung und Benachteiligung berichten. Das ist jedoch eine sehr einseitige Betrachtung von Diskriminierung. Denn Rassismus ist längst nicht mehr die einzige Ursache für Diskriminierung. Systematische Ausgrenzung und Benachteiligung unterliegen in Form und Ausdruck dem Wandel der Zeit. Sie sind moderner, unsichtbarer, situativer und strategischer geworden. Der Trend geht in Richtung selektive politische Diskriminierung oder eben dasselbe bei Rassismus. Beide haben sich im höchsten Maß an die empfindliche und wachsame Wahrnehmung und klar definierte Werteordnung gegenwärtiger demokratischer Gesellschaften angepasst, um ohne aufzufallen größtmögliche Wirkung zu erzielen.
Die Tarnfähigkeit von Diskriminierung spricht für die Komplexität unserer Gesellschaft
Formen dieser Diskriminierung sind fähig, in Institutionen, Schulen und Vereinen ihre Wirkung zu entfalten und missliebige Teilnehmer oder Mitglieder mit psychischem Terror und Ausgrenzung loszuwerden. Gerade in Zeiten polarisierender Themen mit globalpolitischem Bezug, können persönliche Ansichten zu echten Einschränkungen, Ausgrenzungen und Konflikten im unmittelbaren sozialen Umfeld führen. Wer heute noch glaubt, dass gemäßigte Werteorientierungen oder radikalisierte Weltanschauungen nicht über das Maß der persönlichen Zufriedenheit und Entfaltung gehen, der glaubt womöglich auch, dass die Tätigkeit als Lehrerin und Lehrer politische und moralische Unfehlbarkeit impliziert. Die Tarnfähigkeit von Diskriminierung ist im Grunde symptomatisch für eine Gesellschaft, die zunehmend in Geflechte sozialer und digitaler Komplexe hineinwächst. Eine Gesellschaft, in der jeder individuellen Leidenschaft eine politische Färbung zugeschrieben wird und in dem persönlicher Lifestyle und ausgesprochene Gedankenkonstrukte nicht mehr länger private Angelegenheit bleiben. Ob in Bezug auf die Ernährung, die Freizeitgestaltung oder die Mediennutzung. Nichts kann sich dem politisch-demagogischen Schwert entziehen, das über jeder persönlichen, wenn auch unbedenklichen Weltanschauung schwebt.
Meine Wahrheit braucht keine Anerkennung
Diese Gesetzmäßigkeit habe ich erlebt. Ich erzähle in diesem Beitrag über eine fast politisch anmutende und facettenreiche Benachteiligung an der Heilerziehungspflegeschule im Franziskuswerk, die es schwer machte, als solche erkannt zu werden. Politisch deshalb, da die Sichtbarkeit meiner Haltung zu unterschiedlichen gesellschaftlichen und schulischen Themen wesentlich zur Situation beigetragen und diese verschlimmert hat. Ich tue das mit dem Bewusstsein, dass man als Schüler schnell im Verdacht steht, seine schlechten Leistungen auf das Fehlverhalten der Lehrerinnen und Lehrer abwälzen zu wollen. Und erst recht wenn man vorgibt, diskriminierende Strukturen erkannt zu haben. Doch die Seltenheit der öffentlich gewordenen Fälle, in dem ein solcher Machtmissbrauch anerkannt und ausgesprochen wird oder die meinen Erlebnissen ähneln zeigt, wie es um die gängige Einschätzung zu solchen Themen steht. Nämlich, dass grundsätzlich immer die allgemeine Annahme vorherrscht, dass der Schüler seine Lehrerinnen und Lehrer schlecht reden will. Ich habe mich von solchen und erst recht von „gängigen“ Annahmen zu dieser Befürchtung verabschiedet. Denn meine Wahrheit ist nicht von der Anerkennung einer Mehrheit abhängig und sie wird solange fortbestehen, bis ich selbst kognitiv nicht mehr in der Lage bin, mich an diese zu erinnern. Bis es so weit ist, möchte ich es gerne mit euch teilen. Mit allen, die eine Diskriminierung erlebt haben, die so perfekt in die Mechanismen des schulischen Alltags integriert ist, dass man sich schwer tut, das Erlebte in Worte zu fassen, Schlüsselmomente zu identifizieren und erst recht dagegen vorzugehen.
Es war eine Spirale irrsinniger Benachteiligungen
Im Rückblick drängte sich in mir zunehmend die Einsicht auf, dass es eine perfekt abgestimmte Zusammenarbeit der Lehrer war, die sich fest vorgenommen hatten, jenen Schüler zum Narren zu halten, der (für die Dozenten) unangenehme Themen unverhohlen ausgesprochen hat und sich traute, seine persönliche und zuweilen politische Meinung zu vertreten, Situationen auf seine Art differenziert zu betrachten und auch Fehler durch Lehrer anzusprechen. Dieser vielschichtige Konflikt, der in eine Spirale irrsinniger Benachteiligung geriet, begann im Grunde mit einer deutlichen Aussage gegenüber der Akademie durch mich. Nämlich, dass das Sprachniveau der mir begegnenden Kolleginnen und Kollegen, die aus dem Ausland kommen und hier (teilweise mit mir zur selben Zeit) ihre Ausbildung absolviert haben, gravierend schlecht ist und für eine im Interesse der Klientinnen und Klienten sorgfältige und zuverlässige Kommunikation nicht ausreichend ist. In diesem Zusammenhang machte ich die Fachschulen verantwortlich. Und spätestens nach dem die Lehrer dann auch noch meinen Blog gelesen hatten, in dem ich offenkundig und nachweislich eine von ihrer Anschauung abweichende Sicht zu aktuellen gesellschaftlichen Themen vertrete, stand meine eigentliche Leistung nicht mehr im Vordergrund der Bewertungen.
Schülerinnen und Schüler denen ich half, den Stoff zu verstehen, erhielten bessere Bewertungen als ich.
Dabei sind meine Ansichten ganz und gar nicht radikal, sondern sprechen eher für eine durchaus differenzierte und individuelle Auffassung mit streng sachlich bezogenem Weitblick. Es begann eine Phase, die sich zunehmend durch schlechte Benotungen und einseitiger und teils absurder Begründungen äußerte. Ganz gleich, wie sehr ich mich bemühte, gewissenhaft lernte und den Stoff verinnerlichte. Schüler, denen ich half, sich auf Klausuren vorzubereiten und die anstehenden Themen in ihrer Komplexität zu verstehen, erhielten Bestnoten. Schüler, die ich beim Verfassen von Facharbeiten unterstützte, weil sie nicht einmal in der Lage waren eine Einleitung zu schreiben, erhielten bessere Bewertungen als ich. Und so ging es das ganze letzte Jahr. Diese Dynamik verstärkte sich, da ich zuvor auch die ungerechte Notenvergabe zwischen Schülern mit schlechten Deutschkenntnissen und geringer Teilnahme und Schülern mit wesentlich besseren Deutschkenntnissen und großer Motivation kritisierte.
Schüler mit B1-Sprachniveau gaben plötzlich Arbeiten in geschliffener Fachsprache ab.
Ich setzte mich also im Grunde auch für die verärgerten deutschen Schüler ein, die sich, aus Angst in die rechte Ecke gestellt zu werden, nicht zu dieser Ungerechtigkeit äußerten. Praxisarbeiten und Hausarbeiten wurden von den meisten ausländischen Schülern per ChatGPT angefertigt. In den Gruppenarbeiten mussten Schüler mit guten Sprachkenntnissen die anderen „durchziehen“, damit am Ende die Schüler, die nichts zur Arbeit beigetragen hatten auch noch gute Noten erhielten. Das war kein Geheimnis. Im Gegenteil. Jemand der kaum ein Wort im Unterricht raus brachte, da er nicht wusste, wie er den ersten Satz anfangen soll, händigte plötzlich eine Hausarbeit in geschliffener Fachsprache aus. Für die Dozentinnen und Dozenten, die die Schüler gut kannten war das nicht Anlass genug, diesbezüglich aufmerksamer zu werden und den offenkundigen Betrug zu unterbinden. Selbst als Ausländer mit schwarzen Haaren wirst du hier als rechts abgestempelt, wenn du dich für die Integrität einer Akademie einsetzt, gerechte Noten forderst und dir Gedanken über die Qualität der Ausbildung machst.
Ich war gelähmt, wütend und enttäuscht
Von nun an war ich als Schüler mit altklugem Geschwafel und schlechter Leistung dogmatisiert. Auffällig ist, dass sich der Beginn dieser Diskriminierung zeitlich logisch einordnen lässt. Noch im zweiten Jahr erzielte ich gute Noten und war, den Benotungen nach zu urteilen, ein Schüler, der den Stoff verstanden hatte. Und plötzlich im dritten Jahr meiner Ausbildung, als es zu offen angesprochenen Missständen kam, gerieten meine Noten in den freien Fall. Ich liefere keine Beweise, keine Dokumentationen. Lediglich meine tiefgreifenden Erfahrungen, die mir während meiner Ausbildung zuteil wurden. Etwas, das ich nicht für mich behalten möchte. Etwas, das ich aus tiefster Empfindung heraus als abstoßend und falsch erlebt habe. Und als ich mitten in dieser systematischen Benachteiligung steckte, war ich gelähmt, wütend, enttäuscht, verängstigt, gebrochen und erschrocken zugleich. Ich hatte nicht die Kraft, der journalistischen Sorgfalt und Vorgehensweise zu folgen und meine Erlebnisse dokumentarisch festzuhalten. Daher ist es dem Leser überlassen, diese Geschichte als Mahnung oder als abenteuerlichen Zeitvertreib einzuordnen.
Solange man die Leitkultur anerkennt und sich bildungsbedürftig zeigt, ist man der nette Ausländer
Die Willkommenskultur, wie ich es auf dieser Schule erfahren habe, gleicht einem opportunistisch-politischem Zugzwang ohne eigenes Verantwortungsgefühl, in dem zwar Ideale in allen Farben und laut propagiert werden, aber von der praktischen Anwendung niemand etwas versteht. Dieser Opportunismus stellt Bedingungen, der kein Mensch folgen kann, der sich nicht als stumpf-schweigender Nachbeter oder notorischer Ja-Sager versteht. Solange man der nette, bildungsbedürftige und treudoofe Ausländer bleibt, ist man ein guter Ausländer. Sprachkenntnisse nicht nötig. Aber stellt man einmal die Arbeitsweise, die Methoden, Wertenormen, ungerechte Bedingungen und Anschauungen und Vorgehensweisen der Lehrerinnen und Lehrer berechtigt in Frage, hat man ein Tor aufgestoßen, das sich auch mit größter Diplomatie und Umsicht nicht wohlwollend schließen lässt. So war ich im letzten Jahr meiner Ausbildung derart durch gezielte Demoralisierung ermüdet, dass ich mehr damit beschäftigt war, mich zu verteidigen, als zu lernen.
Die wenigsten Schülerinnen und Schüler waren in der Lage, einfache Textabschnitte zu verstehen und sie zu wiedergeben.
Ich kam in eine Situation, in dem ich immer der Auslöser aller Probleme war und die falsche Sicht auf die Dinge immer nur von mir aus ging. Dabei war das Problem der Sprache so groß, dass sie niemand übersehen und vor allem überhören konnte. Die wenigsten Schüler waren in der Lage, die Kernaussagen kurzer Textabschnitte zu verstehen oder gar Textabschnitte aus Fachbüchern in eigenen Worten verständlich und klar wiederzugeben. Das ist kein Vorurteil, sondern meine tägliche Erfahrung der letzten drei Jahren. Gruppenarbeiten wurden sehr oft nur von einem einzigen Schüler erledigt, während die anderen lediglich die guten Noten ernteten. Über fehlende sprachliche Kenntnisse und daraus resultierende Probleme möchte scheinbar auch im Netz kaum jemand schreiben. Nur vereinzelt findet man hier Berichte. Im Vordergrund steht der Fachkräftemangel. Nicht erfüllte sprachliche Anforderungen bleiben im Hintergrund. Blickt man auf die enormen Fachkräfteengpass in den Einrichtungen, zeigt sich der Grund für diese Entwicklung.
Der Fachkräftemangel stellt sprachliche Anforderungen in den Schatten
Die Zuwanderung von ausländischen Arbeitskräften bzw. Auszubildenden wird immer wichtiger. Die deutsche Wirtschaft hat ohne den kontinuierlichen Nachschub von potenziellen Fachkräften keine Zukunft. Die Bundesregierung gab im Jahr 2024 in einer Statistik bekannt, dass etwa Dreiviertel der Stellen, die zwischen 2010 und 2023 neu geschaffen wurden, mit ausländischen Kräften besetzt wurden. Das sind abgerundet 70 Prozent (Mediendienst). 2023 konnte in der Gesamtbevölkerung von 83,9 Millionen eine Migrationsanteil von 24,9 Millionen errechnet werden. Demnach hatte in Westdeutschland jede Dritte Person einen Migrationshintergrund. Vor dem Hintergrund dieses politischen Dauerbrenners sind effizientes und pragmatisches Handeln von unschätzbarem Wert. Pragmatismus ist wohl angebracht und er hilft, große Umwege zu vermeiden und Ziele realisierbar zu machen. Er führt jedoch auch immer mehr zu Debatten, die im Lärm um den Fachkräfteengpass nur schwer und ungern, aber nun immer öfter gehört werden sollten. Als jemand, der tagtäglich mit Fachkräften aus dem Ausland zu tun hat, zweifle ich stark daran, dass diese für einen Start in den von Engpässen betroffenen Berufen ausreichen.
Kommunikation ist für eine Fachkraft der Grundstein sozialen Handelns und gute Sprachkenntnisse unverzichtbar
Es ist eine Realität, der man tagtäglich begegnet, wenn man als Pfleger, Erzieher oder wie ich, als Heilerziehungspfleger tätig ist. Es erschwert die Kommunikation, gefährdet nicht nur das Wohlbefinden und die Gesundheit von Klienten und Assistenznehmern, sondern auch die hohen Anforderungen und die berufliche Sorgfalt, die mit dem Verantwortungsbereichen im Rahmen sozialer Berufe einhergehen. Dieses Problem ist so allgegenwärtig und offensichtlich, dass ich mich über die daran gemessene Zurückhaltung in entsprechenden Foren und Fachmagazinen wundere. Schließlich grenzt eine Fachkrafttätigkeit im pädagogischen und medizinischen Bereich nicht nur die intensive Kommunikation mit Klienten und Patienten, sondern auch die interdisziplinäre und kollaborative Zusammenarbeit mit angrenzenden Fachbereichern wie der Physio- und Psychotherapie, der Suchtberatung und diverser beratender Anlaufstellen ein. Der Heilerziehungspfleger steht in seinem beruflichen Alltag sprachlichen Anforderungen gegenüber, denen er im Interesse seiner Klientinnen und Klienten gewissenhaft gerecht werden sollte. Ein für die berufliche Qualifikation und Tätigkeit angemessenes Sprachniveau sollte vor dem Hintergrund dieser Anforderungen also Grundvoraussetzung sein.
Wer über fehlende Sprachkenntnisse spricht ist rechts
In den Medien lese ich kaum über dieses Problem. Beim langen Stöbern im Netz kommt zu diesem Thema immer wieder der Bericht über einen leitenden Arzt in Nordrhein-Westfalen durch, der die belastende Situation in seiner Klinik, die mit fehlenden Sprachkenntnissen einhergeht, beklagt. Wenn die Anforderungen an Sprache und Fachwissen nicht erfüllt würden, würde dies die Patientenversorgung gefährden, so der leitende Arzt, der anonym bleiben möchte. Sein Wunsch anonym zu bleiben verdeutlicht auch schon, welche Angst ihn dazu verleitet, seinen Namen besser nicht Preis zu geben. Es ist die Gefahr in die rechte Ecke gestellt zu werden. Die Debatte zur Bedeutung der Sprache in sozialen Berufen wird im Grunde von dieser andauernd absurden Angst begleitet, als rechter Spinner abgestempelt zu werden. In einem anderen Artikel berichtet der Deutschlandfunk von etablierten Pflegekräften, die die Einarbeitung als mühsamen, kräftezehrenden und zeitraubenden Prozess beschreiben. All das führt dazu, dass der Qualität von Fachberufen langfristig geschadet wird. Der Fachkräftemangel darf nicht dazu führen, dass Praxisastellen in sozialen Berufen zu Sammelbecken für Fachkräfte werden, die nicht in der Lage sind, das Gesagte und Gelesene zu verstehen und damit das Wohlbefinden und die Gesundheit von Klientinnen und Klienten gefährden.