Feuilleton

Vergessene Kunst

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Wenn es wieder so weit ist und Sylvester vor der Tür steht, müssen wir zwangsläufig, denn es hat sich in unserer Kultur seinen Platz eingenommen, Gedanken darüber hegen was wir gerne für unser Gutes, aber gegen unseren eigenen Willen einhalten möchten. An dieser Stelle haben viele Menschen eher Angst denn Willen. Denn ehe wir an das denken was wir uns vornehmen möchten,  bricht in unsere Gedanken die Furcht vor dem Scheitern ein. Ein Zeichen dafür,  dass wir unsere verfehlten Ziele mit persönlichen Fähigkeiten und der daraus resultierenden Erkenntnis über den Sinn des Lebens verknüpfen. Zu ernst also für die Stunde zum Jahreswechsel. Nur zur Beruhigung: Wir haben Alle Schwächen. Aber was wir viel weniger tun als Vorsätze einhalten kommt aus einer ganz anderen Ecke der Menschheitsgeschichte. Es ist schlicht das Briefe schreiben. Die Technik hat damit eine Kunst abgeschaffen, die weit über die Grenzen zwischen Absender und Empfänger gegangen ist. Denn die Begegnung mit einem Brief umfasst nahezu all unsere Sinne. Den Schreiber wie den Empfänger auch. Zum einen besitzt er eine überaus persönliches Profil in Schrift und Ausdruck. Zum anderen werden unsere Vorstellungskraft und unsere Gefühle während dem Schreiben womöglich so sehr beansprucht wie vermutlich in keiner anderen Situation des Lebens. Denn jedes Wort welches wir zu Blatt bringen lässt uns an den weiteren Verlauf des Briefes und an die Gesamtaussage denken, so dass wir wie an einer Schnur einen vollkommenen und zugleich unachahmbaren Stil befolgen. Briefe waren es, die unsere Geschichte besser verstehen ließen. Heute sind sie für Historiker ein unverzichtbares Medium zur Rekonstuierung unserer Vergangenheit. Sie sind Zeitzeugen, Verräter und Erleuchter. Nirgends spielen Briefe eine solch große  Bedeutung für Menschen wie die im Neuen Testament. Aus drei großen Kategorien, den Paulusbriefen, den Briefen an die Hebräer und den katholischen Briefen setzt sich die Grundlage über das Wissen des christlichen Glaubens zusammen und findet damit ihre Verbindung zu Geschichte.

Auch Schiller nutzte oft die besondere Wirkungskraft des Briefes um anerkannte und hochgeschätzte Denker um Mithilfe für seine Projekte zu ersuchen. So schrieb er einen Brief wohl formuliert an Kant aus Jena am 13.Juni 1794:

Aufgefodert von einer, Sie unbegrenzt hochschätzenden, Gesellschaft lege ich Ew. Wohlgebohren beyliegenden Plan einer neuen Zeitschrift und unsre gemeinschaftliche Bitte vor, dieses Unternehmen durch einen, wenn auch noch so kleinen, Antheil befördern zu helfen. Wir würden nicht so unbescheiden seyn, diese Bitte an Sie zu thun, wenn uns nicht die Beyträge, womit Sie den deutschen Merkur und die Berliner Monathschrift beschenkt haben, zu erkennen gäben, daß Sie diesen Weg, Ihre Ideen zu verbreiten, nicht ganz verschmähn. Das hier angekündigte Journal wird aller Wahrscheinlichkeit nach noch von einem ganz andern Publikum gelesen werden, als dasjenige ist, welches sich vom Geist Ihrer Schriften nähret, und gewiß hat der Verfasser der Kritik auch diesem Publikum manches zu sagen, was nur Er mit diesem Erfolge sagen kann. Möchte es Ihnen gefallen, in einer freien Stunde sich unsrer zu erinnern, und dieser neuen litterarischen Societät, durch welchen sparsamen Antheil es auch seyn mag, das Siegel Ihrer Billigung aufzudrücken.

Der Schriftsteller Gaius Plinius Caecilius Secundus, auch Plinius der Jüngere, der zwischen 62 und 115 lebte, hinterließ bedeutsame Briefe, welche einen detaillierten Einblick in das Leben der gehobenen Schicht im früheren Rom gewähren. Nach dem Philologen Matthias Ludolph waren veröffentlichte Briefe in ihrem Stil und der Form ein Ausdruck für Macht und Ruhm. Nicht nur Macht, sondern auch Unmut lässt sich in einem Brief in allen möglichen Formen ausdrücken. Aus diesem Grund sollte ein verfasster Brief, bevor es an den Empfänger geht, eine Nacht beim Absender verweilen, um mögliche überzogene emotionale Passagen zu erkennen. Eine 86-jährige Griechin namens Poppi Konti ließ im Jahr 2011 in einem offenen Brief an die Kanzlerin Merkel ihren Gefühlen im Bezug auf die Rettungspläne der EU, freien Lauf. Sie brachte ungehemmt zum Ausdruck, dass sie das Benehmen gegenüber Griechenland unerhört findet. Ebenfalls in einem Brief, teilt einer der führenden Köpfe der französischen Revolution, nämlich Camille Desmoulins seine Freude über die Entwicklungen vom 16. Juli 1789 an seinen Vater mit. Hier ein Ausschnitt:

“ Ich erstickte fast vor der Menge Gedanken, die auf mich einstürmten, ich sprach ohne Ordnung. „Zu den Waffen“, sagte ich, „zu den Waffen! Wir wollen alle die grüne Farbe tragen, die Farbe der Hoffnung.“ Ich entsinne mich, daß ich mit den Worten schloß: „Die niederträchtige Polizei ist hier. Wohlan! sie soll mich gut betrachten, gut beobachten, ja, ich bin es, der meine Brüder zur Freiheit aufruft.“ Und indem ich eine Pistole erhob: „Wenigstens“, rief ich, „sollen sie mich nicht lebendig in die Hand bekommen, und ich werde verstehen, ruhmvoll zu sterben; es kann mich nur noch ein Unglück treffen: daß ich sehen muß, wie Frankreich zur Sklavin wird.“ Dann stieg ich hinab; man umarmte mich, erstickte mich fast in Liebkosungen. „Freund“, sagten sie alle zu mir, „wir werden Ihnen eine Wache bilden, wir wollen Sie nicht verlassen, wir wollen hingehen, wo Sie hingehen.“ Ich sagte: ich wollte keinen Befehl haben, ich wollte nichts weiter sein als ein Soldat des Vaterlandes. Ich nahm ein grünes Band und befestigte es als erster an meinem Hut.

Von solchen Leuten die Beschwerdebriefe an die Kanzlerin oder an Präsidenten schreiben, oder welche die mitten in einem gesellschaftlichem Umbruch ihre Gefühle festhalten, gibt es sicherlich viele. In diesen besonderen Fällen ist es der Brief, weil die Absender keine andere Möglichkeit hatten, oder die E-mail Adresse der Staatsleute nicht kannten. Wenn ich jemanden ärgern oder bedrohen will, so schreibe ich am Besten einen Brief. Denn da bin ich ganz sicher anonym. Briefe bieten in beliebigem Grad Anonyimität. Außerdem landen sie sicher nicht im Spam Ordner.

 

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