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DNA-Rekonstruktion offenbart tiefgreifenden Bevölkerungswandel

Genetische Analysen von 35 europäischen Jägern und Sammlern aus unterschiedlichen Zeitaltern werfen neues Licht auf die Ausbreitungswelle des modernen Menschen. Die sonst so magere Datenlage zur Zeit von vor 35 bis 40.000 Jahren wird durch die Auswertung der bis zu 35.000 Jahre alten Funde aktualisiert und ermöglicht somit neue Forschungsansätze. Die Ergebnisse führen zu der Annahme, dass der moderne Mensch sich in einer umfassenden und schnellen Weise außerhalb Afrikas über Asien und Europa gleichzeitig verbreitet haben muss. Forscher des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte in Jena und der Universität Tübingen kommen gemeinsam mit einer internationalen Forschergruppe zu einer Erkenntnis, die die stark umstrittenen Ausbreitungswellen des modernen Menschen neu rekonstruieren lässt.

Mittels molekularer und bioinformatischer Techniken, durch welchen die mütterlicherseits vererbte mitochondriale DNA (mtDNA) von 35 frühen Jägern und Sammlern rekonstruiert wurde, kam heraus, dass drei Individuen aus der Hochphase der letzten Eiszeit, gefunden in Belgien und Frankreich, dem mtDNA-Typ Haplogruppe M angehören. Dieses Ergebnis überraschte die Forscher, da diese Haplogruppe zwar bei den australischen und amerikanischen Völkergruppen, nicht aber den heutigen Europäern zu finden sei. Das berichtete Cosimo Posth von der Universität Tübingen, Hauptautor der Studie. Das Ergebnis wird im Rückgang der Bevölkerungszahl, bedingt durch den Beginn des letzten Eiszeitmaximums vermutet, in dem sich die Jägerpopulationen in Südeuropa zurückzogen, um sich dann mit der Erwärmung des Klimas wieder über Europa auszureiten. Es wird angenommen, dass die Haplogruppe M während dieser Phase verloren ging.

Heute wird die mtDNA aller Nicht-Afrikaner den Haplogruppen N oder M zugeordnet. Den Autoren der Studie gelang es, die mit Hilfe der Radiocarbon-Methode datierten mtDNA als molekulare Eichpunkte zu setzen, mit deren Hilfe die gemeinsamen Vorfahren aller Nicht-Afrikaner mit den Mitrochiden der M- Und N-Linie bis auf 50.000 Jahre zu bestimmen. Johannes Krause, Direktor am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, sieht darin eine Bestätigung der Vermutung zur schnellen Ausbreitung nicht-afrikanischer Bevölkerungsgruppen nach Asien und Europa. Neben die bisher bekannten Bevölkerungsverschiebungen der Jungsteinzeit und Bronzezeit kommt durch die neuen Daten ein weiterer tiefgreifender Bevölkerungswandel vor rund 14.500 Jahren zum Ende der Eiszeit hinzu. „Es sieht so aus, als ob die europäischen Jäger und Sammler in dieser Periode starker Erwärmung weitgehend durch eine Bevölkerungsgruppe aus einer anderen mütterlichen Abstammung ersetzt wurde“, sagt Adam Powell, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut in Jena. Es bleibt abzuwarten, inwiefern zukünftige Analysen das vollständiger Genome aus den unterschiedlichen Zeitaltern das Bild der Bevölkerungsbewegungen vervollständigen. Vor allem steht die Klärung des genetischen Wandels der Europäer am Ende der Eiszeit offen.

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