Meinung

Eine glitzernde, digital-popkulturell-getriebene Diktatur

Halil Celiksoy. PR-Agent und leidenschaftlicher Blogger.

Jedes Unternehmen kapituliert still und leise

Das Gendern konnte seinen sehr laut begonnenen Kampf um eine gerechtere Sprache nicht zum geplanten und gesellschaftsübergreifenden Sieg führen. Und dennoch hat es genug Unsicherheit ausgelöst, dass sie selbst noch mit restlicher Kraft unaufhörlich in viele Lebensbereiche hineinkriecht und dort für eine entwürdigende Debattenkultur sorgt. Nicht nur in vielen öffentlichen Einrichtungen wurde die Sprache grundsätzlich neu ausgerichtet. Gerade findet eine Institutionalisierung gendergerechter Sprache statt, die sich in alle Bereiche der Bildung und Öffentlichkeitsarbeit hineinschleicht. Dieser plötzliche, einer Kapitulation ähnelnde Prozess innerhalb großer Unternehmen ist ein Phänomen, dessen Ablauf und Struktur auch während der Pandemie beobachtet werden konnte. Man übernimmt blindlings, bevor man am Ende die eingenommene Seite begründen und sich erklären muss. Eine Vorgehensweise, die für das Absterben einer ausgewogenen und gesunden Risikokompetenz spricht.

Gender-Debatte erinnert an Corona-Debatte

Symptomatisch hierfür ist auch, dass man mit Statements an die Öffentlichkeit geht, die in der Unternehmensführung bis dahin keine Rolle spielten. Die Inkompetenz beginnt also ganz oben in der Unternehmensführung. Zu glauben, man müsse sich wie auf Befehl und ohne eigene Position einer sprachlichen Vorgabe anpassen, lässt sich mit blindem Nachbeten vergleichen. Ich glaube also nur an eine Sache, weil es auch die anderen tun. Ich unterlasse es, meine eigene Denkweise und Haltung in die Debatte einzubringen und ducke mich aus Angst vor den Folgen eines digital-popkulturell-getriebenen Diktats. In der Corona-Zeit waren es die Süddeutsche, Die Zeit und Focus, die unentwegt auf Menschen eingeprügelten, die aus plausiblen und durchaus logischen Gründen auf Maske und Impfung verzichteten. Nie wurden gegenläufige Meinungen respektvoll in Diskussionen miteinbezogen. Stattdessen gab es Denunziation und absurd anmutende Kritik. Ähnliches erleben wir nun in der Gender-Debatte. Vor allem in der deutschen Marketinglandschaft springt man auf jeden noch so neuen Zug auf, der sich an jeder neu aufflammenden sprachlichen Reformoffensive entzündet. Feuchtfröhlich beugt sich jedes mächtige Unternehmen dem Vorwurf einer handvoll Aktivisten, die irgendein nicht-wokes Gebaren gewittert haben wollen. Sei es in irgendeinem Produkt oder auch in einem Werbeslogan. In der Folge schwebt das regenbogenfarbende Demagogenschwert über dem Haupt desjenigen, der sich dieser politisch-ideologischen Top-down-Vorschrift nicht beugen möchte. Das ist keine Vielfalt und noch weniger ist es der Kampf für eine gerechtere Gesellschaft.

Früher hat man einfach nur zu Dr. Motte getanzt und alles war gut

In den sozialen Netzwerken treibt sich eine sitten- und gesetzlose Hetzjagd auf erklärte Gegner. Abgestempelt als Nazis und rechtes Pack. Wie dumm von mir, dass ich bislang in der Überzeugung lebte, dass sich die facettenreiche gesellschaftliche Vielfalt im demokratisch-freiheitlichen Deutschland schon in den 90ern unmissverständlich gezeigt hatte. Etwa auf der Loveparade, dem ausgestorbenen Techno-Festival Berlins, auf dem sich Menschen, egal welcher sexueller Richtung und Farbe, zu einer die Stadt in Ausnahmezustand versetzenden Party trafen. Dort tanzte man zu Dr. Motte und Westbam. Und dort brauchte man keine Adresse des Hasses und ideologische Gegner. Heute wird man das Gefühl nicht los, dass der Begriff Vielfalt erst seit 2019 existiert und überhaupt eine politische Rolle spielt. Als hätte man die Notwendigkeit gesellschaftlicher Pluralität erst im Jahr 2019 entdeckt. Als hätte sich vor diesem Zeitpunkt niemand darüber Gedanken gemacht, was die Pfeiler und Stützen unserer demokratisch-vielfältigen Gesellschaft wären. Veränderungen sind gut. Aber wo sie sich den Werkzeugen der Diktatur und der Denunziation von Meinungsgegnern bedienen, verliert jede politische Bemühung ihren demokratischen Auftrag.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert