Meinung

Alles Corona-Leugner? Warum die Etikettierung von Demonstranten brandgefährlich ist.

Deutschlandweit formieren sich Proteste und Demonstrationen gegen die bestehenden Maßnahmen und gesetzlichen Verabschiedungen zur Corona-Pandemie. In den Medien fallen alle Demonstranten unter pauschalisierende und kategorisierende Begriffe. Mit Blick auf die besondere Entstehungsgeschichte des deutschen Grundgesetzes, birgt die begriffliche Vereinfachung komplizierter gesellschaftlicher Umstände gefährliches Potenzial. Zumal sich unterschiedlichste Menschen in den zunehmenden Antagonismus der öffentlichen Corona-Debatte begeben.

Vorurteile sind in vielerlei Hinsicht sehr heimtückisch. Betrachtet man den Entstehungsweg sich unverrückbar festfahrender Sichtweisen, lässt sich festhalten, dass sich diese auf nahezu alle ähnlichen Phänomene politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen übertragen lässt, an dessen Ende eine Dogmatisierung und Dämonisierung steht. Wir kennen das bereits aus den Islamdebatten der vergangenen Jahre, die unschöne Parolen wie „Islamisierung Europas“ und „Bedrohung des Abendlandes“ in die nahezu täglichen Feuilleton- und Politikberichte katapultiert haben, an denen die journalistische Kunstfertigkeit der großen Tageszeitungen jahrelang zehren konnte. Ganz egal ob mahnend oder spaltend. Jeder Journalist glaubte nun, eine eloquente Schrift über die tatsächlichen Umstände des Für und Wider in die Welt setzen zu müssen.

Was nun die Vorurteile angeht, haften diese stets an temporären oder immer wiederkehrenden Randerscheinungen einer Ideologie, einer zeitgeschichtlichen Epoche, einer politischen Bewegung oder eben einer Religion. Sie sind kaum zu verhindern. Und weil sie zumeist einer populistisch geführten öffentlichen Debatte entspringen, die sich hauptsächlich von Schlagbegriffen, intentionalem Medienkonsum und situativem Sensationserlebnis nährt, nisten sie sich in den Zeitgeist, noch bevor es zu einem ausgewogenem empirischen Urteil kommt. Vor dem Hintergrund digitaler Medien und sozialer Netzwerke, die in der Bildung neuartiger gesellschaftlicher Milieus und politisch relevanter Bewegungen eine führende Rolle spielen, gewinnt eine solche Entwicklung wie wir sie gegenwärtig durch die Corona-Debatten erleben, besondere Brisanz. Wirkungsmächtige Akteure lenken öffentliche Debatten in großem Stil.

In vielen Fällen, noch vor der Entfaltung reichweitenstarker Unternehmungen, stehen Vorurteile am Anfang. Zunächst besorgniserregend, sind diese jedoch ein vollkommen normales Ergebnis von Debatten, die sich unmittelbar auf das Sicherheitsgefühl eines Einzelnen auswirken. Und dort wo eine Gefährdung oder Bedrohung der Sicherheit gewittert wird, formieren sich Gruppierungen, Bewegungen, politische Bündnisse. Es kommt schließlich zu Demonstrationen. Gefährlich wird es, wenn eine solche, auf demokratische Grundbestimmungen konstituierende Ausdrucksweise des „Dagegenseins“ mit Gesetzesbeschlüssen innerhalb juristischer und gesetzlicher Grauzonen übergangen wird. Ähnlich wie im Fall der teilweisen Impfpflicht. Hinzu kommen Begriffe wie Querdenker und Schwurbler, an dem sich eine ganze Armee an Journalisten bedient, ohne zu differenzieren oder auch den tatsächlichen Anlass der Proteste zu analysieren.

Tatsächlich gibt es vergleichsweise sehr wenige Menschen, die an Corona zweifeln. Der Focus der deutschlandweit zunehmenden Demonstrationen bewegt sich immer weiter in Richtung inkonsistenter und widersprüchlicher Pandemie-Politik, durch politische Maßnahmen herbeigeführte wirtschaftliche Folgeschäden und persönliche Rechte. Und dennoch betiteln nahezu alle Zeitungen die derzeit zunehmenden Demonstrationen als Veranstaltung der Coronaleugner oder Querdenkerdemos. Deutschland hat schon in seiner jüngeren Geschichte auf verhängnisvolle Weise erleben müssen, wohin Diffamierung und begriffliche Etikettierung hinführen kann. Gegenwärtig sind es nur harmlose Sammelbegriffe und Kenntlichmachungen. Doch im schlimmsten Fall führen sie zur gefährlichen Spaltung bis hin zu Verfolgung. Politisch-ideologische Kategorisierungen wie „die Moslems“, „die Juden“, „die Türken“, „die Schwarzen“ oder eben „die Querdenker“ sind ein gefährlicher Sprengstoff für unsere demokratisch-freiheitliche Gesellschaft, in dem Demonstrationen, außer solche, die auf rechtsextremistische Ziele ausgerichtet sind, vollkommen demokratiekonform, ja sogar konstitutiv für ein modernes Europa sind.

An diese Stelle müsste viel mehr Austausch, transparente Politik und Abschaffung von Vorurteilen und Ängsten. Nur so überwinden wir die Pandemie. Und vielleicht auch die gesellschaftliche Spaltung.

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