FeuilletonFeuilleton

Einigkeit und Recht und….Impfpflicht

Die aufkommenden Debatten um die Impfpflicht bewegen sich seit den ersten laut gewordenen Zweifel an der rechtlichen und juristischen Umsetzung längst nicht mehr lediglich zwischen den in Deutschland zwei unversöhnlich gegenüberstehenden Lagern. In den fortwährenden politischen Paradigmenwechsel gesellen sich Akteure, die in die traditionell anmutende K.O.-Rhetorik zwischen sogenannten Querdenkern und Covidioten, eine sich langsam bemerkbar machende Trendwende bringen. Die anfänglich sicher aufgetretene Legitimierung der allgemeinen Impfpflicht, überwiegend durch etablierte Medien an die Öffentlichkeit herangetragen, bröckelt erbarmungslos an allen sicher geglaubten Stellen. Nicht zuletzt, weil sich durch dieses Vorhaben ein bürokratisch und datenschutzrechtlich ungeahnter und schier nicht zu bewältigender systematischer Aufwand ankündigt, der dem komplexen Rechtssystem eines Bundesrepublik Deutschland nicht gewachsen ist, sondern auch weil sich unerbittlich vermehrende moralische Widersprüche, an den ungünstigsten Stellen mit verfassungsrechtlichen Bestimmungen verknüpfen lassen. In Brüssel brennen Mülltonnen und Autos. In deutschen Großstädten ziehen tausende Menschen gegen die pandemiebedingten politischen Bestimmungen.

Die Impfpflicht hat ein moralisch-logischen Defekt

Die globalen Umwälzungen ziehen am deutschen Gesundheitsminister scheinbar eindruckslos vorbei. Der pocht auf die geheiligte Spritze, die spätestens im Mai ihren Siegeszug über die Pandemie starten soll. Trotz zunehmender Skepsis von Medizinern, zur rechtlichen und wissenschaftlichen Begründbarkeit der Impfpflicht. Eine nie gesehene Staatsräson in den vielfältigsten Auswüchsen eigenartiger Anordnungen, die einigen Juristen bitter aufstößt. Jede noch so eloquente und wissenschaftlich wohl formulierte Argumentation, die nichts weiter als das Normativ einer ebenso wohldurchdachten akademischen Handlungsprogrammatik predigt, kommt nicht ohne moralisch-logischen Defekt davon. Immer bietet sie berechtigte und verhängnisvolle Angriffsfläche. Und die Frage worum es hierbei eigentlich geht, ist durchaus angebracht. Denn die Debatte hat sich ungewollt auf die unangenehme Grundlage einer politischen Gewissensfrage verirrt. Ein Umstand den man zu verhindern plante. Zum Beispiel in dem das RKI den unrühmlichen Satz aussprach, in der Pandemie-Politik nichts zu hinterfragen. Die allgemeine Impfpflicht reicht längst über den gesundheitspolitischen Horizont hinaus, generiert in ungeahntem Tempo das Aufkommen einer kollektiven Stimmungslage, die sich ganz dem ideologischen Kern der Sache gegeben hat und damit aus dem Meinungskorridor der ewig warnenden Fachleute ausbricht. Freiheit gegen Solidarität. Regierungstreue gegen Meinungsfreiheit und Kritik gegen beugsame Einsicht. Somit ist die Frage um die vieldiskutierte Impfpflicht in unmittelbare Nähe der freiheitlichen Ideen des grundlegenden europäisch-humanistischen Denkens gelangt. Was bedeutet individuelle Freiheit? Was bedeutet die Freiheit der Selbstbestimmung?

Die Auslegung der Verfassung als kreatives Patchen von wohlklingenden Argumenten

Besondere Wucht birgt das willkürliche Verbieten spontaner Demonstrationen, die durch diffuse und undurchsichtige Statements wutschnaubender Kleinpolitiker veranlasst werden. In Deutschland hat das Verbot von Demonstrationen seinen lang unangetasteten Schutz inzwischen an eine Handvoll rigide diktierender und staatlich unterstützter Experten verloren. Plötzlich ist möglich was gestern noch undenkbar gewesen wäre. Nun kann der Staat sogar über den Willen der Eltern hinweg entscheiden und Kinder ohne Zustimmung impfen lassen. Oder er kann dem Individuum wirtschaftliche Freiheiten entziehen, an dem eine ganze Rebe des Grundgesetzes hängt. Wer immer noch in der Überzeugung lebt, das Recht auf körperliche Unversehrtheit wäre für das demokratisch-freiheitliche Leben konstitutiv, der höre sich die abenteuerlichen Ausführungen von sprachlich begabten Juristen an, die darin keinerlei Verstöße sehen. Die Begründung dreht sich wie ein Kreis um das Wohl der Allgemeinheit und dem Verhältnis zwischen öffentlichem Interesse und der Selbstbestimmung. Hauptsächlich arbeitet die Expertenmeinung mit einer Anzahl übersichtlicher Begrifflichkeiten, die in etwa wie Zahnräder selektiv zusammengebracht werden. Eine Auslegung der Verfassung als kreatives Patchen von wohlklingenden Argumenten, das im unübersichtlichen Netz der Corona-Philosophen zu einer Art Challenge wild gestikulierenden Fachmenschen geworden ist. Aber reden wir kurz über eine insbesondere durch die Pandemie zur Popularität gelangte Gruppe von Akteuren, die vom eigens erschaffenen und dauerhaft aufrechterhaltenen Komplott-Verdacht auf Recht und Gesetz lebt. Die Faktenchecker. Bis Heute entziehen sie sich jedem sachlichen Definitionsversuch. Jeder redet über sie, niemand weiß wer sie sind.

Wir leben im Zeitalter der politischen Blackouts

Fast symptomatisch für den von Corona befallenen Zeitgeist eines wirren politischen Blackouts. So viel steht jedoch fest: In den meisten Fällen sind Faktenchecker weder Journalisten noch ausgewiesene Fachleute. Geboren im Informationszeitalter, durchforsten sie den Dschungel der Blogs und Meinungsportale, und verlieren sich, nach ausgesuchter Zusammenführung von Wissenswertem, in aggressiv-antagonistischen Äußerungen zur Debatte der Gegenwart. Die penibel konstruierte Sicherheit darüber, dass ihnen keine noch so banale Informationen entgangen sein könnte, gehört zum Pathos des moralisch aufgeblasenen Faktencheckers. Ganz kontemporär vermeidet er jede Kollision mit Recht und Gesetz und treibt den Schwund einer geistigen Haltung voran, die einst zur Entstehung von dem geführt hat, was die Allgemeinheit unter einem freien Leben versteht.

Es geht nicht um Information. Es geht um erstickende Rechthaberei

Etabliert hat sie statt der ausgewogenen Meinungsbildung eine Art Klassizismus, die sich gegen noch so jedes neue Muster einer kulturell-dynamischen Entwicklung stellt. Kaum geistvoll, aber dafür linear im Für und Wider einer präzise angelegten Kolportage. Es geht nicht um Information. Es um Revidierung, die sich auf destruktive und aufreibende Sprache reduziert und jedem noch so aufkommenden versöhnlichen Gedanken gegenüber apathisch auftritt. Kurz: Es geht um erstickende Rechthaberei. Der Kampf gegen die Pandemie hat sich als hinterlistige intentionale Politik in nahezu alle Lebensbereich geschlichen und proklamiert penetrant den anstehenden Sieg der Covidioten über Alle, die ein Unrecht gewittert haben wollen. Was hilft da ein Feuilleton-Beitrag, der sich vorgenommen hat, unüberbrückbare Gefälle zu schließen, an dem eine ganze Epoche der Aufklärungsarbeit zu zerbrechen droht. Ende.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert